Seit 2023 werden im Hof des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt die (Pflanzen)segel gehisst. Wir – Insektenforscher:innen der Abteilung Terrestrische Zoologie – betrachten sie nicht nur neugierig aus unseren Bürofenstern, sondern steigen auch wöchentlich hinauf in die Segel, um mehrere dort aufgehängte sogenannte Kreuzfensterfallen zu leeren. Diese Fangmethode erfasst fliegende Insekten und gibt uns einen Einblick, welche Insekten am und um die Segel herum vorkommen. Denn uns interessiert die Frage, ob die zur schnellen Begrünung und Verbesserung des Mikroklimas in Städten entworfenen Pflanzensegel nicht nur uns Menschen, sondern auch den Stadtinsekten von Nutzen sein könnten. Städte bieten durchaus vielen Insektenarten geeignete Lebensräume – sehr dicht bebaute und versiegelte Stadtbereiche ohne jegliches Grün gelten jedoch als absolut insektenfeindlich. Können die genau für diese Bereiche konzipierten Pflanzensegel von den Sechsbeinern als (Teil-)Habitate (z. B. Nahrung in Form von Pollen und Nektar) genutzt werden oder diese innerhalb der Stadt vernetzen? Können sie als Rückzugsorte vor Hitze fungieren? ?
Zweiflügler (Fliegen und Mücken) gerieten im ersten Erfassungsjahr am häufigsten in unsere Fallen. Aber auch Käfer, Hautflügler (Wespen und Bienen), Schnabelkerfe (Wanzen, Zikaden und Pflanzenläuse) waren mit verschiedenen Arten vertreten. Weniger häufig fingen wir Staubläuse, Fransenflügler und Nachtfalter, sowie Springschwänze, Schaben und Netzflügler. Ein überraschender Fund war die für Hessen noch nicht bekannte winzige Grabwespenart Spilomena mocsaryi. Noch unklar ist, ob sie speziell die Segel als Nahrungs- oder Nistressource nutzte.
Auch wenn wir anhand der ersten Fallenfunde noch nicht eindeutig ableiten können, wie genau die verschiedenen Insekten die Segel nutzen, geben sie interessante erste Einblicke und eine Orientierung für weitere Untersuchungen. Diese beziehen sich auch auf mögliche Verbesserungen des Systems bezüglich der Nutzbarkeit für Insekten. Zusammen mit OMC°C möchten wir zum Beispiel herausfinden, welche Pflanzenkombination für Insekten am besten geeignet ist, und ob sich – vereinbar mit dem Anspruch, ein schnell wachsendes Begrünungssystem zu schaffen – mehr heimische Pflanzenarten integrieren lassen.
Carolin Sommer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum / Terrestrische Zoologie / Entomolgie III.