Office for
Micro Climate Cultivation

Eine Idee, viele Köpfe: Dieter Gaißmayer, Staudengärtnerei Gaißmayer

VERD° wurde in enger Zusammenarbeit mit einem Netzwerk hoch engagierter Expert:innen entwickelt, die Experimentierfreude, innovative Sichtweisen und tiefes Fachwissen einbrachten und auch weiter einbringen. In kurzen Interviews möchten wir unsere Weggefährten an dieser Stelle nach und nach vorstellen.

Lieber Dieter Gaißmayer, erinnerst du dich an deine ersten Gedanken, als Nicola und Carlotta dich erstmals kontaktierten und von ihrer Idee des VERD° Systems, also mit einjährigen Kletterpflanzen in Städten für Schatten zu sorgen, erzählten?

Ich war anfangs in der Tat eher skeptisch, weil es sich für mich nach einem Projekt anhörte, das so ein bisschen in der Luft schwebt, aber nicht so einfach zu realisieren ist. Aber als die beiden Mädels mir das Ganze dann genauer erklärt und berichtet haben, wer alles beteiligt ist, habe ich gesagt: Dann bin ich auch mit von der Partie!

Welcher Aspekt des VERD° Systems überzeugt dich am meisten?

Dass viele an diesem Gesamtwerk beteiligt sind, die jeweils eine hohe Kompetenz haben, erzeugt eine Gewähr, dass etwas Fundiertes erreicht wird.

Das Team, mit dem OMC°C zusammenarbeitet, ist so interdisziplinär wie sonst kaum ein weiteres. Wie war es für dich, mit Produktdesigner:innen, Architekten und Ingenieuren zusammenzuarbeiten?

Ich habe die meisten anderen Beteiligten erst bei der Pressekonferenz im Sommer 2023 in Frankfurt persönlich kennengelernt – und ich musste staunen, was das alles für tolle Leute sind, mit welchem Engagement und mit wie viel Herzblut sie sich in das Projekt einbringen.

Gibt es Pflanzen, die du bei der Recherche für VERD° selbst neu entdeckt hast? Welche der eingesetzten Pflanzen beeindruckt dich als erfahrenen Experten am meisten?

Da muss ich ein bisschen ausholen. Kletterpflanzen gehören nur am Rande ins Revier der Stauden. Nachdem ich aus dem aktiven Staudengärtnerdasein ausgeschieden war, konnte ich es mir erlauben, für dieses Projekt meinen Blickwinkel zu erweitern. Ich habe mich dann insbesondere mit Kletterpflanzen beschäftigt, die noch nicht so verbreitet sind. Denn für das VERD° Projekt wurden ja Pflanzen gesucht, die gleich im ersten Jahr volle Leistung bringen. In der Regel wird die Kletterleistung von Pflanzen nicht gezielt erforscht und getestet. Als ich dann zum Beispiel die schnelle und enorme Wuchsleistung der Mondwinde gesehen habe – das hat mich doch beeindruckt und begeistert. Auch die Käsepflanze, die nach Camembert schmeckt, oder die knollige Kapuzinerkresse aus Peru haben mich sehr fasziniert.

Aktuell testen wir die Kletterleistungen der Inkagurke und der Basellkartoffel aus Südamerika. Die letztere klettert nicht nur wahnsinnig schnell, sie hat auch ein besonders festes Blattwerk. Dies hat den Vorteil, dass bei Wind oder bei Hitze nicht so viel Feuchtigkeit verdunstet wie zum Beispiel bei Bohnen.

Bei dir in Illertissen steht eine Testanlage des VERD° Systems. Was willst du dort in diesem Jahr erforschen?

Dieses Jahr gehen wir bei der Forschung mit den Kletterpflanzen von der Vertikalen in die Horizontale. Die Himmelsstürmer kennen wir jetzt, deshalb testen wir nun in einer Art Laubengang, einem Pflanzentunnel, das Wachstum weiterer, noch wenig bekannter Kletterer. Ein anderer Schwerpunkt liegt auf den essbaren Pflanzen, Stichwort „Naschgarten“, der besonders für Kitas und Schulen interessant sein kann. Und auch die Blütenattraktivität steht dabei im Fokus – wir suchen das Schöne.

2010 hast du die Stiftung Gartenkultur gegründet: Was ist das Anliegen, die Vision der Stiftung? Welchen Beitrag willst du mit deiner Stiftung für den Naturschutz leisten?

Was mich als leidenschaftlichen Gärtner umtreibt, ist, dass ich sehe, wie recht viele Menschen den Zugang zu Pflanzen, Natur und Gärten verloren haben. Wie soll eine künftige humane Gesellschaft aussehen und funktionieren, wenn die Menschen diesen Umgang nicht mehr haben? Dies ist die Intention der Stiftung, den Menschen Freude und Know-how zu vermitteln, damit sie erfolgreich und mit Lust mit Pflanzen umgehen. Es ist eine Zukunftsfrage: Wir brauchen nicht nur künstliche Intelligenz und Digitalisierung, sondern auf der anderen Seite ein Verankern des Lebens in der Natur. Das menschliche Leben ohne das pflanzliche Leben ist nicht denkbar.

Was ist für dich das Beste an VERD° in einem Satz?

Das System selbst bietet die Chance, das öffentliche Grün wesentlich zu bereichern.